Darmstädter Leitbild Wald

(stip)

Wissenschaftsstadt Darmstadt zieht nach annähernd fünf Jahren eine positive Bilanz.

Baumkronen
Quelle: Shutterstock – Gergitek

Im Rahmen einer Pressekonferenz am heutigen Mittwoch (10.) hat Michael Kolmer, der für den Stadtwald zuständige Dezernent, mit Anke Bosch, Leiterin des Grünflächenamtes, und 
Dr. Andreas Rais, Abteilungsleiter Forsten, Biotopschutz und Stadtbäume im Grünflächenamt, eine durchweg positive Bilanz des Darmstädter Leitbilds Wald gezogen, das vor annähernd fünf Jahren in Kraft trat.

Den Hintergrund bilden die Problemlagen in den Wäldern des Rhein-Main-Gebietes. Ließen sich in der Vergangenheit negative Auswirkungen von Waldfragmentierungen – etwa durch den Bau von Infrastrukturprojekten – und der damit einhergehende Verlust von sogenannten Waldinnenklimaflächen durch ausreichend Niederschläge während der Vegetationsperiode ausgleichen, greifen diese Kompensationsmechanismen unter den Bedingungen des Klimawandels nicht mehr. Dies wird an den Schadbildern im Darmstädter Wald deutlich. Zunehmende Trockenheit und gestörte hydrologische Kreisläufe stressen das Ökosystem, führen zu Vitalitätsverlusten und bewirken strukturelle Schäden.

Mit dem Leitbild Wald hat die Wissenschaftsstadt Darmstadt Maßnahmen entwickelt, um den Wald als Lebensraum, Klimaschutzfaktor und Erholungsort zu erhalten. Ein zentraler Baustein dieses Leitbilds ist der Erhalt von Totholz: Stehend oder liegend bleibt es im Ökosystem und schafft so Habitate, die Lebensraum für unzählige Arten bieten sowie den Boden schützen und nähren. Die Ergebnisse der Forsteinrichtung 2025, welche erstmals das Totholz aufgezeichnet hat, unterstreichen die Bedeutung dieser Strategie. Mit 64 Vorratsfestmetern (Vfm) Totholz pro Hektar liegt der Westwald deutlich über dem Bundesdurchschnitt. Circa 62 Prozent des Totholzes befinden sich bereits in beginnender, 28 Prozent sogar in fortgeschrittener Zersetzung.

„Dieser wunderbare, natürliche Kreislauf ist pure Magie: Pilze und Bakterien verwandeln das Holz in kostbaren Humus, der den Boden fruchtbar macht und dessen Wasserhaltevermögen spürbar anhebt. Auch die biologische Vielfalt profitiert von diesem Prozess: Spechte und Insekten finden hier ideale Bedingungen vor. Die messbare Zunahme der Artenvielfalt zeigt, wie wichtig Totholz als Lebensgrundlage für das Ökosystem Wald ist“, so Umwelt- und Grünflächendezernent Michael Kolmer.

Infolge der Aussetzung der Holznutzung zeigt der Wald erste Erholungserfolge: So steigt der Vorrat an lebenden Bäumen kontinuierlich an und leistet damit einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz. Aktuell stehen auf der Holzbodenfläche von 1.845 Hektar (ha) 213 Vfm pro ha. Der Holzvorrat im Darmstädter Stadtwald liegt damit um 12 Vfm/ha höher als im hessischen Vergleich. Dies liegt vor allem am Darmstädter Ostwald. Gleichzeitig entwickeln sich höhere Verteilungen der Altersklassen, dicke Bäume und intakte Waldstrukturen, die das Waldinnenklima spürbar verbessern: Die Luftfeuchtigkeit steigt, die Windwirkung nimmt ab und die Bäume finden stabilere Wachstumsbedingungen vor.

Die Betriebsinventur 2025 bestätigt diese positiven Entwicklungen. Diese statistisch gesicherte Bestandsaufnahme wurde erstmalig in dieser intensiven Form durchgeführt und liefert verlässliche Informationen zu Baumarten, -vorrat, -zuwachs und -totholz. Die Daten bilden die Basis für ein langfristiges Monitoring und ermöglichen aussagekräftige Vergleiche in den kommenden Jahren.

„Fünf Jahre sind für einen Wald kein langer Zeitraum“, betont Anke Bosch. „Doch im Darmstädter Stadtwald zeigen sich bereits heute strukturelle Veränderungen, die vor zehn oder zwanzig Jahren noch undenkbar gewesen wären. Tatsächlich entwickelt sich der Darmstädter Wald zu einem Vorbild für die Region und für eine zukunftsweisende Waldbewirtschaftung.“

Ein weiterer Erfolgsfaktor, der mit dem Verzicht auf die Holznutzung einhergeht, ist die Rückkehr zu intakten Waldböden aufgrund reduzierter Befahrungen durch schwere Maschinen. Somit können die Böden ihre Funktion als Kohlenstoffspeicher wieder besser erfüllen.

„Hinzu kommt die hohe Akzeptanz in der Bevölkerung: Das Leitbild Wald ist längst in den Köpfen der Darmstädterinnen und Darmstädter verankert – ein Zeichen dafür, dass nachhaltige Waldwirtschaft ökologisch sinnvoll und gesellschaftlich anerkannt ist. Darmstadt zeigt damit, dass Waldbewirtschaftung gelingen kann, wenn Ökologie, Klimaschutz und gesellschaftlicher Konsens Hand in Hand gehen“, so Kolmer.

„Das Leitbild Wald ist für uns nicht nur ein Konzept auf dem Papier – es ist gelebte Praxis. Unsere Beschäftigten im Wald setzen es täglich mit Überzeugung um, damit dieser auch morgen noch seine Rolle für Klima, Natur und Gesellschaft erfüllen kann“, erläutert Dr. Rais.

In den kommenden Jahren wird das Monitoring systematisch ausgebaut, um langfristige Entwicklungen präzise zu dokumentieren und wissenschaftlich fundierte Entscheidungen treffen zu können. Gleichzeitig wird die Zusammenarbeit mit Forschungseinrichtungen und Naturschutzorganisationen vertieft, um innovative Ansätze in der Waldbewirtschaftung zu entwickeln und umzusetzen. Ein zentrales Anliegen bleibt dabei die Einbindung der Öffentlichkeit, wie Kolmer betont: „Ein Wald lebt nicht nur von Bäumen, sondern auch vom Engagement der Menschen, die ihn schützen und wertschätzen. Deshalb ist es uns wichtig, die Bürgerinnen und Bürger weiterhin einzubinden – denn der Wald der Zukunft ist ein gemeinsames Projekt.“