Vor wenigen Tagen erschien der mittlerweile 9. Band der Darmstädter Beiträge zur Jazzforschung mit dem Titel "Jazz goes Pop goes Jazz. Der Jazz und sein gespaltenes Verhältnis zur Popularmusik", herausgegeben von Wolfram Knauer, Hofheim 2006 (Wolke Verlag), ISBN 3-936000-03-4, Preis: 22 Euro. Das Buch versammelt die Referate des 9. Darmstädter Jazzforums im Jahr 2006, die die Frage nach Popularität und/oder Kunst in der Jazzgeschichte und der aktuellen Jazzszene behandeln
Die Besonderheit des Darmstädter Jazzforums sei, so der Darmstädter Oberbürgermeister Walter Hoffmann bei der Präsentation des Sammelbandes, dass "neben Musikwissenschaftlern, Soziologen und Fachjournalisten immer auch Kenner zu Worte kommen, die aus der Szene selbst stammen, in diesem Fall Musiker, Veranstalter und Label-Manager".
Das Buch, so Wolfram Knauer, Direktor des Jazzinstituts, sei das erste auf dem Markt, das sich der Beziehung zwischen Jazz und Pop widme. Die Beiträge des Bandes beantworten die grundsätzliche Frage, was eigentlich Musik populär macht und erklären, wann und warum sich die Welten von Jazz und Popmusik trennten und wie sich ihr Verhältnis zueinander entwickelte. Der australische Historiker Andrew Hurley wirft in seinem Beitrag einen Blick auf Verhältnis des Kritikers Joachim Ernst Berendt zu Jazz und Pop. Bezug zum aktuellen Jazz hat der Beitrag des Skandinavisten Frithjof Strauß, in dem dieser zu erklären versucht, warum der skandinavische Jazz in Deutschland so populär ist. Weitere Beiträge stammen vom Popästhetiker Diedrich Diederichsen, dem Musikwissenschaftler Martin Pfleiderer, dem Journalisten Peter Kemper sowie von Doris Schröder und Wolfram Knauer, beide Mitarbeiter des Jazzinstituts Darmstadt. Aber auch Musiker kommen zu Wort, so Paul D. Miller, der beim letzten Jazzforum einen Vortrag über seine HipHop-Arbeit als DJ Spooky hielt, und Colin Towns, der britische Komponist, der im Interview über seine Arbeit berichtet.
Die "Darmstädter Beiträge zur Jazzforschung" sind inzwischen eine international beachtete Publikationsreihe zu Fragen der Jazzforschung, gelten als Grundlagenlektüre für Jazzfans und Musikwissenschaftler gleichermaßen. Das Jazzinstitut Darmstadt als weltweit drittgrößtes Informations- und Dokumentationszentrum zum Jazz engagiert sich auch auf anderen Gebieten für sein Thema. Arndt Weidler war als Vertreter des Instituts Ende November an Gesprächen mit dem Kulturausschuss des Deutschen Bundestags und dem Staatsminister für Kultur und Medien im Kanzleramt beteiligt, bei denen es um die aktuelle Situation des Jazz in Deutschland genauso ging wie um zukünftige Förderstrukturen.
Die vom Darmstädter Jazzinstitut konzipierte Ausstellung "Deutscher Jazz / German Jazz" in München wird ab 2007 vom Goethe-Institut für fünf Jahre übernommen und weltweit gezeigt. Daneben verwalten die Mitarbeiter des Jazzinstituts zusammen mit ehrenamtlichen Kräften ein einzigartiges Archiv zur deutschen Jazzgeschichte. Vor wenigen Tagen gelang es, das Instrument des Frankfurter Trompeters Carlo Bohländer für dass Archiv zu sichern. Bohländer gilt als einer der ersten Jazztheoretiker Deutschlands, dessen Lehrwerke Albert Mangelsdorff maßgeblich beeinflussten.
In Vorbereitung ist außerdem das 10. Jazzforum, das vom 4. bis 7. Oktober 2007 stattfindet und sich mit ethnischen Einflüssen im Jazz auseinandersetzt. Von Jan Garbarek im Norden Europas über Enrico Rava in Italien bis zum Pianisten Chano Dominguez, der den Flamenco seiner andalusischen Heimat mit Jazz vermengt, gibt es überall in Europa Beispiele kultureller Grenzüberschreitungen. Jazzmusiker haben sich der brasilianischen Bossa Nova zugewandt oder mit indischer Musik experimentiert, haben sich von afrikanischen Musikern sibirischen Obertonsängern inspirieren lassen. In Vorträgen (im Darmstädter Literaturhaus), Konzerten (in der Centralstation und der Bessunger Knabenschule) und Workshops wird sich das 10. Darmstädter Jazzforum diesem Themenkomplex widmen.