Die Darmstädter Bürger*innen stehen in der Corona-Krise ihrer Partnerstadt Brescia in Italien zur Seite: In nur einem Monat wurden 25.000 Euro für das Hilfsprojekt SOStieni Brescia gesammelt. Gespendet haben viele Privatpersonen und Vereine. Die Stadt Darmstadt gibt zusätzlich 10.000 Euro aus den eingeplanten Mitteln für das internationale Bürgerfest hinzu. Das Projekt SOStieni Brescia hilft Einzelpersonen, Familien, aber auch Betrieben aus Handwerk und Gastronomie, welche durch die Pandemie in eine schwere Notlage geraten sind. Die Provinz Brescia ist mit über 13.100 Infizierten und mehr als 1030 Todesfällen eine der am stärksten betroffenen Provinzen in Italien.
Am 3. April hatte Darmstadts Oberbürgermeister Jochen Partsch dazu aufgerufen, für die Partnerstadt in Norditalien zu spenden. Dass nun in kurzer Zeit eine so hohe Summe zusammengekommen ist, ist ein klares Zeichen von Darmstadt nach Brescia – für eine enge Verbundenheit und für den Zusammenhalt mit den Menschen in Italien.
Drei Hilfspakete für die Partnerstadt
Die damalige Entwicklung der Situation in der Partnerstadt Brescia verfolgte Oberbürgermeister Jochen Partsch mit großer Sorge und kontaktierte seinen Amtskollegen Emilio del Bono, um sich über eventuelle Hilfebedarfe zu erkundigen.
Daraufhin wurden sofort Hilfemaßnahmen eingeleitet: Schon Ende März organisierte die Stadt eine Lieferung von 200 Schutzkits für medizinisches Personal. Zusätzlich wurden Ende April 5.000 FFP2-Atemschutzmasken zur Verfügung gestellt und an die norditalienische Kommune versandt.
Del Bono bedankte sich öffentlich für die Hilfe und Solidarität aus Darmstadt. Mit den gesammelten Spenden unterstreichen jetzt auch die Darmstädter Bürgerinnen und Bürger, dass ihnen diese Werte wichtig sind – und handeln damit ganz im Sinne der Kampagne #EuropeansAgainstCovid19 des europäischen Parlaments. Zum Europatag am 9. Mai fasste Oberbürgermeister Jochen Partsch die Ereignisse rund um die Hilfsaktionen für Brescia nochmals in einem Video zusammen.
Lockerungen der Maßnahmen
Anfang März wurde ein erster internationaler Hilfsfonds für die italienische Provinz ins Leben gerufen, um die medizinische Situation in den Krankenhäusern zu verbessern. Jetzt gilt es, mit dem Projekt SOStieni Brescia die wirtschaftliche Krise in der Region abzuschwächen und Menschen in finanziellen Notlagen zu unterstützen. Vom 8. März waren in Brescia alle Geschäfte außer Supermärkte, Apotheken, Banken und Postämter für zwei Monate geschlossen. Durch diese Ausgangssperre und die damit verbundenen Arbeitsplatzverluste stehen viele Menschen in Norditalien vor einer wirtschaftlichen Notsituation.
Die strengen Maßnahmen werden in Italien seit dem 4. Mai Schritt für Schritt gelockert: Bestimmte Geschäfte sowie Produktionsstätten aus Baugewerbe und Industrie durften wieder öffnen. Die Menschen können mit Maske auf die Straße, spazieren gehen und Verwandte besuchen – allerdings nur in ihrer Heimatregion. Restaurants, Bars und Cafés ist es erlaubt, Speisen und Getränke außer Haus und zum Mitnehmen anzubieten. Schulen und Kindergärten bleiben aber bis September geschlossen.
„Wie in einem Krieg gegen einen unsichtbaren Feind“ - Franco Marchese
Franco Marchese ist Raumfahrtingenieur bei der ESA in Darmstadt. Hier erzählt er über die Covid-19-Pandemie in seiner Heimatstadt Brescia.
Es war sehr surreal zu sehen, was in Italien los war. Ich habe Familie und Freunde nicht nur in Brescia, sondern auch in Bergamo und Mailand. Glücklicherweise waren keine Leute infiziert, die ich kenne. Aber sie haben mir über die Situation berichtet. Die Nachbarin von einer Freundin wurde in ein Krankenhaus gebracht und dann hat niemand mehr von ihr gehört. Eine Woche später wurde auch ihr Mann dorthin gebracht. Wochenlang kommt fast jeden Tag die Nachricht vom Tod einer Person, die sie kannte. Viele von denen, die ich kenne, haben jemanden aus ihrem Bekanntenkreis verloren. Wie in einem Krieg gegen einen unsichtbaren Feind.
Viele sind jetzt zu Hause mit den Kindern. Ich habe einen Freund, der drei sechs Jahre alte Kinder hat. Plötzlich wird der Tag sehr lang und anstrengend. Und muss man den Kindern erklären, warum sie zum Beispiel die Großeltern nicht mehr küssen oder umarmen können – etwas völlig Fremdes für unsere Kultur.
Die Situation hat sich jetzt verbessert und Wiedereröffnungen werden erwartet, aber die Menschen sind skeptisch und befürchten einen Rückfall. Trotz alledem hoffe ich, dass meine Mitbürger*innen die Werte des Lebens und der Solidarität wiederentdeckt haben, die durch die schlechten Nachrichten und die Schnelllebigkeit oft verborgen bleiben – die gleiche Solidarität, die Darmstadt mit Brescia gezeigt hat.