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Darmstadt Aktuell

Offener Brief an die Kulturschaffenden

(PSD) – Freitag, 20.11.2020

Oberbürgermeister Jochen Partsch an die Künstlerinnen, Künstler und Vertreterinnen und Vertreter der Kultureinrichtungen in Darmstadt

Oberbürgermeister Jochen Partsch © Wissenschaftsstadt Darmstadt



Sehr geehrte Damen und Herren,

wiederholt wurde ich in den letzten Wochen von Ihnen auf die prekäre Lage der Kultur und insbesondere auf die konkreten Verhältnisse in Darmstadt angesprochen oder angeschrieben. Auf Ihre mitunter appellatorischen Hinweise und Handlungsempfehlungen, die sich ausnahmslos auf die Restriktionen in Folge der Covid-19-Pandemie beziehen und alle Kunstgattungen repräsentieren, hätte ich nur allzu gern bei unserem obligatorischen „Künstlerdämmerschoppen“ im November reagiert, um Ihnen meine Einschätzung der Lage aufzuzeigen und mit Ihnen im persönlichen Gespräch zukünftige Perspektiven zu erörtern. Dass dies in absehbarer Zeit leider nicht möglich sein wird und ich derzeit auch von Einzelgesprächen mit Ihnen Abstand nehmen muss und auch keine individuellen Schreiben beantworten kann, werden Sie sicherlich verstehen.

Um es gleich zu sagen: Die Lage durch die pandemische Entwicklung ist sehr ernst, ernster, als Sie es möglicherweise vermuten. Und die fatalen Konsequenzen hieraus für den gesamten Kulturbetrieb, nicht nur in Deutschland, sind ebenso ernst, wie Sie natürlich wissen. Darüber bin ich mir, ebenso wie meine Kollegen*innen in anderen Städten und Entscheidungsträger im Land und im Bund vollkommen im Klaren. Hinzu kommt in Folge dieser Entwicklung, dass die Haushalte der öffentlichen Hand landesweit schon in diesem Jahr und mit dramatischen Resultaten umso mehr in 2021 und 2022 in eine bisher nicht geahnte Schieflage geraten werden. Wenn wir jetzt also um finanzielle Kompensationen für Ihre defizitäre Haushaltslage im Einzelnen sprechen, hilft kein Schönreden: Es ist und bleibt für uns alle sehr kritisch. Ihre Bitten und zum Teil massive Forderungen und Erwartungen kann ich selbstverständlich nachvollziehen. Ich schließe mich da uneingeschränkt dem Hilferuf vieler Kulturverbände wie dem Deutschen Kulturrat, der Kulturpolitischen Gesellschaft oder dem Deutschen Bühnenverein an. Auch kann ich die in den Medien publizierten kritischen Kommentare von Repräsentanten aus Ihren Reihen sehr wohl nachvollziehen, ebenso wie die Diskussion über die „Systemrelevanz“ der Kultur. Es bedarf an dieser Stelle tatsächlich keiner weiteren Argumente, um in einem Kulturstaat für den Wertekanon der Kultur und die besondere Bedeutung von Kunst und Kultur in unserer Gesellschaft und hier insbesondere natürlich in Darmstadt zu werben. Kultur war und ist ein essentieller Identifikationsfaktor, ich spreche gern von der Seele unserer Stadt. Die Unterstützung durch die öffentliche Hand, um Kultur in unserem Land zu ermöglichen, steht deshalb auch aktuell selbstverständlich nicht zur Disposition.

Wie Sie wissen, haben wir im Magistrat der Stadt schon vor dem ersten Lockdown umgehend beschlossen, ein Hilfspaket für unsere in Not geratene Kulturszene zu schnüren, obwohl uns die Haushaltslage hierfür eigentlich keinen Spielraum lässt. Wir haben die sonst im Jahr notwendige flächendeckende Kürzung der Kulturausgaben in diesem Jahr von 20% auf nur noch 5% verringert, und wir haben in Kooperation mit der Merck AG zusätzlich insgesamt 200.000 Euro bereitgestellt, um zumindest klaffende Lücken in den Kulturetats der Vereine in diesem Jahr zu schließen. Und mit der Initiative „Wir für Kultur“ von Iris Bachmann und Hildegard Förster-Heldmann haben wir in Darmstadt zusätzlich einen privaten Hilfsfonds eingerichtet, um einzelne in Not geratene Künstlerinnen und Künstler konkret zu unterstützen. Ich denke, das sind mehr als nur Tropfen auf dem heißen Stein. Dass all diese Bemühungen letztlich dennoch nicht ausreichen können, ist mir bewusst, aber ich kann Ihnen versichern, wir sind hiermit an unsere Schmerzgrenze gegangen. Und natürlich muss ich in diesem Zusammenhang ebenso auf die neuen Regelungen des Bundes und der Länder verweisen, in denen jetzt auch Wirtschaftshilfen für Soloselbstständige und freischaffende Künstler vorgesehen sind.

Nun geht es Ihnen aber nicht nur um zusätzliche finanzielle Unterstützungen. Sie fragen verständlicher Weise auch nach plausiblen Erklärungen für die neuen Vorschriften und Verhaltensregeln bei Veranstaltungen, sofern diese derzeit überhaupt möglich sind, und nach den Differenzierungen, die mit der Entscheidung der Ministerpräsidentenrunde bei der Bundeskanzlerin etwa zwischen den Bedingungen in Theatern, Museen, Schulen, Baumärkten oder bei Friseuren vorgenommen werden. Dass Kultureinrichtungen und gastronomische Betriebe im November geschlossen werden mussten, der Einzel- und Großhandel z.B. aber nicht, hat erwartungsgemäß bundesweit Irritationen bei den entsprechenden Berufsverbänden und Interessenvertretungen ausgelöst, gerade auch, nachdem ja in diesen Einrichtungen mit erheblichen Investitionen die strengen Hygieneauflagen erfüllt wurden. Um es auch hier gleich deutlich zu machen: Es geht bei dieser Entscheidung nicht um eine Diskreditierung der Kultur oder um die Vermutung eines größeren Ansteckungsrisikos in Theatern und Museen. Vielmehr geht es auf der politischen Entscheidungsebene darum, während einer Naturkatastrophe, und von dieser müssen wir bei der Corona-Pandemie ja sprechen, in einem Kompromiss die unstrittig als lebensnotwendig zu bezeichnenden Voraussetzungen zu schaffen, welche zunächst die primären Bedürfnisse der Bevölkerung abdecken. Die Kultur ist dann bei einer extremen Abwägung dieser Bedürfnisse in die zweite Reihe gerückt, und dies muss Künstlerinnen und Künstler in ihrem Selbstverständlich natürlich auf den Plan rufen. Die entsprechenden Initiativen unterstütze ich ausdrücklich. Kultur ist essentieller Bestandteil unseres Zusammenhalts.

Dennoch appelliere ich nun meinerseits an Ihre Vernunft und an Ihr Verständnis für die harten Einschnitte in Ihrem Leben und in der Ausübung Ihres Berufes und schließlich mit allem Nachdruck an Ihre Solidarität. Nur wenn wir alle die derzeit notwendigen Maßnahmen mittragen haben wir eine Chance, die Pandemie mit ihren schrecklichen Auswirkungen wieder in den Griff zu bekommen. Hierfür danke ich Ihnen.

Mit allen guten Wünschen für Sie und den besten Grüßen, Ihr

Jochen Partsch Oberbürgermeister 

Wichtige Mitteilung
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